Triumph TR6 – Windjammer

03Jul11

test :: auto motor und sport 14/1969

Text: Klaus Westrup
Fotos: Julius Weitmann

TR6 in ams Heft 14/1969

Als auto motor und Sport in Heft 16/68 über den Triumph TR 5 mit Einspritzmotor berichtete, hatte das auf dem Pariser Salon 1967 präsentierte Automobil noch ein rundes halbes Jahr zu leben. Schon im Januar 1969 stellte Triumph einen Nachfolger vor, der die TR-Baureihe um eine weitere Ziffer nach oben schraubte. Der Wechsel kam, in Anbetracht bisheriger Triumph-Gepflogenheiten, ungewöhnlich schnell, was nicht nur überraschend, sondern auch marktpolitisch nicht sonderlich geschickt war. Zweifellos hätte die logischere Typenentwicklung den TR 5 Pl ausgespart; denn er ist jetzt, obwohl noch ziemlich neu und ebenfalls mit dem Sechszylinder-Einspritzmotor versehen, ein ausgelaufenes Modell, mit geringerer Aktualität und obendrein seinem Besitzer das Gefühl vermittelnd, er sei übers Ohr gehauen worden. Dieses Gefühl kann um so mehr entstehen, als gerade der TR 6 etwas Ungewöhnliches in der langen Geschichte der englischen Triumph-Sportwagen wahr macht: Eine augenfällige Änderung der Karosserie, Wenn man sich in der Ahnengalerie umblickt, fallen bis zum Jahr 1961. als der TR 3 vom TR 4 abgelöst wurde, nur Detail-Verbesserungen auf – das typische Triumph-Gesicht und die kantige Linie blieben bis zuletzt erhalten…

TR6 in ams Heft 14/1969

Motor: Dampf in allen Gassen

In Anwendung des abgedroschenen Spruches, der Motor sei das „Herz“ jeglichen Automobils, kann man nur sagen: beim TR 6 stimmt es. Wie schon sein kurzlebiger Vorgänger, der TR 5 P1 ist auch der TR 6 mit dem neu entwickelten Einspritzmotor ausgerüstet, der bei einem Hubraum von 2,5 Litern 143 PS entwickelt Diese Spitzenleistung, die sich bei 5500 U/min einstellt, ist freilich nicht allein Ursache der Begeisterung, die sich im Umgang mit diesem drehmomentstarken Triebwerk schon nach kurzer Zeit einstellt. Weit eindrucksvoller als die für gute Beschleunigung und hohe Spitzengeschwindigkeit notwendige Höchstleistung ist die Art und Weise, wie dieser Einspritzmotor in den unteren Drehzahlbereichen arbeitet. Schon bei 2000 Touren steht spürbare Leistung zur Verfügung, und nur wenige Umdrehungen später, bei 3000 U/min, schwingt sich der langhubige Sechszylinder zu seinem Drehmomentmaximum von fast 23 Meterkilogramm auf…

TR6 in ams Heft 14/1969

Komfort: Für harte Männer

Wer im engen TR 6-Cockpit Platz genommen hat, der kann sicher sein, daß nun harte Arbeit auf ihn wartet; denn praktisch alles, was mit der Bedienung dieses Triumph zusammenhängt, geht schwer und verlangt kräftiges Zupacken. Dieser Tatbestand muß nun freilich nicht unbedingt erschrecken, beweist er doch neben mancher technischen Unvollkommenheit eine mitunter gewünschte Abkehr von (auch sportlichen) Durchschnitts-Mobilen. Es fängt mit der Kupplung an: Sie ist so schwergängig, daß man beim ersten Zutreten erschrickt und den Eindruck hat, man müßte mit dem linken Fuß einen Betonklotz verrücken. Auch die Fußbremse verlangt, trotz Servo-Unterstützung, nachhaltige Tritte, und nicht viel anders, wenn auch von Hand, will der Getriebeschalthebel bewegt werden. Das ist freilich nicht alles, denn das echte Körpertraining setzt erst dann richtig ein, wenn man sich mit dem TR 6 auf schlechten Straßen bewegt. Auf diesen ist der Komfort so schlecht, daß man sich manchmal wünscht, entweder zu Hause geblieben zu sein oder eine andere Route gewählt zu haben: Vor allem bei kurz aufeinander folgenden Bodenwellen treffen den Piloten durchdringende Stöße, die ihn in jeder Faser seines Körpers zusammenzucken lassen.

TR6 in ams Heft 14/1969

Dem Auto selbst geht es kaum besser: Schon dann, wenn der TR 6 auf schlechten Straßen Moped-Tempo überschritten hat, ächzt und klappert er an den unerfindlichsten Stellen, zittert und wackelt mit Armaturenbrett und Sitzen und deutet damit nichts dringlicher an als den Wunsch nach einer anderen, besseren Straße. Wenn sie gekommen ist, tritt mit Ausnahme zahlreicher Windgeräusche und des wohltuend sonoren Auspufftons Ruhe ein – und damit ein Zustand, in dem der TR 6-Fahrer die erlittene Schmach schnell vergißt Hier hat man Zeit und Gelegenheit, das wohlgestaltete Armaturenbrett mit seinen zahlreichen Instrumenten ins Auge zu fassen, und hier kann der TR 6 auch die Qualitäten seines leicht modifizierten Fahrwerks beweisen. Nachdem der TR 5 Pl noch auf ziemlich schmalen 4,5 Zoll-Felgen rollte, rüstet Triumph den TR 6 mit 5,5 Zoll-Felgen aus.
Die Felgen-Verbreiterung sorgt zusammen mit einer Spurverbreiterung um 2,5 cm und einem kräftigeren Stabilisator vorne für ein neutraleres Fahrverhalten als ehedem. Während der TR 5 unter einem stark ausgeprägten Mitlenken der Hinterachse litt, ist diese Erscheinung beim jüngsten Triumph-Sproß nun nahezu verschwunden…

TR6 in ams Heft 14/1969

Zu den attraktivsten Seiten des TR 6 gehört zweifellos sein Armaturenbrett, das den Fahrer durch gut ablesbare und hübsch gruppierte Instrumente erfreut. Nicht minder erfreulich ist der Sechszylinder-Einspritzmotor; er zeichnet sich durch hohe Leistung und ungewöhnlich starken Antritt auch bei niedrigsten Drehzahlen aus. Im Gegensatz, zur vor dem Auto gruppierten Dame erweisen sich die Sportfelgen des TR 6 als Attrappen; die Neugestaltung der Frontpartie läßt den neuesten Triumph-Sproß moderner und sachlicher erscheinen.

TR6 in ams Heft 14/1969

Trotz seines nun gutmütigeren Fahrverhaltens und der hohen Motorleistung ist der TR 6 kein typisches Schnellfahrer-Auto geworden, denn dazu fehlt es ihm an Ausgewogenheit und Fahrkultur. Seine Qualitäten liegen in einem anderen Bereich, der nicht nur von der Straßenbeschaffenheit, sondern sogar vom Wetter abhängt. Blauer Himmel und grüne Wiesen werden für den TR 6-Fahrer zu wichtigen Faktoren – ebenso wie es der grollende Auspuffton und die aggressive Form sein können. Aber daß dieser moderne Klassiker altenglischen Roadsterbaues zu faszinieren vermag, können selbst Vernunftsmenschen kaum bestreiten.

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